Behind the Magic #1
Es war einmal der mächtige, böse Lich-Overlord Buttercreme, der mit seinen Untorten-Horden, den Muffins, der Brezel-Brigade, den Zombie-Lebkuchenmännern und vielen weiteren, das glückliche und reiche Schlaraffenland überfallen und erobern wollte. Obwohl … ganz so glücklich war das Schlaraffenland dann doch nicht, denn der König war verstorben und die Erben zerstritten.
Um Lord Buttercreme aufzuhalten, mussten die mächtigsten Helden des Landes in den Kampf geschickt werden. Doch die hatten was Besseres zu tun, also schickten die Verwalter des Schlaraffenlandes das B-Team. Naja. Eher G-Team. “G“ wie „Gurkentruppe“.
Und so zogen Vana, die gierige Zauberin, Brol, der extrem gestresste Barbar, Unja Bitorr, der leicht abzulenkende Mönch, Hansalami, der naive Hofnarr und last but noch least Liza Lurchibald, die tollpatschige Heilerin, hinaus ins Abenteuer, um die Welt zu retten …
Willkommen bei BEHIND THE MAGIC, einem kleinen, feinen Erzählrollenspiel von Randy Lubin, erschienen auf Deutsch bei System Matters und erhältlich bei Lurch & Lama, dem Rollenspielshop meines Vertrauens.
Um was geht es? Zusammen entwickeln die Mitspielenden eine Fantasy-Mockumentary, in der eine Gruppe inkompetenter „Helden“ von einer Bardin begleitet und interviewt wird, während sie auf dem Weg ist, „die Welt zu retten“.
Zuerst wird die Bedrohung gemeinsam erschaffen und es wird, wie es sich für eine „echte Doku“ gehört, ein Blick ins HQ des Bösen geworfen. Wieder gemeinsam können die Mitspielenden eine Szene „beim Bösling“ gestalten, nachdem gemeinsam mit „Daumen hoch/Daumen runter“ festgelegt wurde, wie kompetent die Bedrohung ist. Dann geht’s richtig los – das Abenteuer besteht aus 3 Akten: Wo nimmt die Geschichte ihren Anfang? Welches Gebiet müssen die Abenteurer durchqueren? Wo findet das Finale statt? Für jeden Akt wird ein Szenario entwickelt, das aus einem Begriff und einem Attribut besteht, zB „Die versunkenen Städte“ oder „Die verzauberte Wüste“, alle Mitspielenden fügen reihum einen Sinneseindruck hinzu wie „Heißer Wind“, „blutrote Blumen“ oder „es riecht nach Schweinestall“.
Die anfangs beschriebene Gruppe startete im üppigen Königreich Schlaraffenland mit seinen saftigen grünen Weiden, goldenen Feldern und blumigen Düften, musste durch den feuchten Kakaobohnendschungel, in dem es die Gruppe mit Schokotreibsand, Ess-Zett-Fliegen (in Zartbitter und Milchschokolade) und Aracetamol-Papageien zu tun bekam und endete schließlich in den schroffen Bergen des Backofenvulkans, in denen sich die Hitze über Marschmellowpfützen staute und angebrannte Zombie-Lebkuchenmänner die Bienenstich-Barriere bewachten.
Sobald das Szenario steht, können die Helden erschaffen werden (ok, in meinen bisherigen Runden haben die Mitspielenden das vorher gemacht, war auch nicht tragisch), Die Charaktere bestehen nur aus Name, Beruf und Attribut, also Hanswurst, der listige Bauer oder Schmock, der naive Zauberer. Werte oder Skills/Fertigkeiten gibt es nicht. Wer noch möchte, kann den Charakter noch mit zwei-drei Sätzen weiter ausformulieren, so hatten wir einen Krieger mit einem Hautölwerbevertrag oder einen Bauern mit einem zahmen Schwein. Danach folgt die erste Interview-Runde durch die Bardin, die, da das Spiel Spielleitungslos ist, reihum von je einem Mitspielenden dargestellt wird. Hier stellen sich die Charaktere vor und beantworten schon Fragen nach ihrem Aussehen, ihrer Motivation oder ihrem Besitz.
Nun nimmt das Spiel Fahrt auf: in jedem Akt gibt es 3-5 Szenen, die jeweils nur ein paar Minuten dauern und den Blick auf eine spezielle Unterhaltung oder Begegnung legen sollten. Die Beteiligten Charaktere werden festgelegt, die nicht in der Szene vorkommenden Mitspielenden können die Rollen von NSC übernehmen. Die Szene kann jederzeit beendet werden, indem man „Schnitt“ sagt.
Die anfangs beschriebene Gruppe erlebte unter anderem diese Szenen: Liza und Brol beim Händler, Hansalami fragt nach einer Gehaltserhöhung, Brol und Hansalami haben Probleme im Schokotreibsand, Liza und Unja wollen Papageien-Eier klauen, Brol und Unja überqueren eine Marschmellowpfütze auf einem Lebkuchenmannzombie-Floß.
Als Szenen kann auch ein „Blick zum Bösewicht“ oder eine Spontanbeichte bei der Bardin etabliert werden. Nach Akt 1 und 2 gibt es wieder eine große Fragerunde durch die Bardin, mit Fragen wie „Wonach hast du Heimweh?“, „Wer stirbt am Wahrscheinlichsten?“ oder „Wer geht dir am meisten auf die Nerven?“ Am Ende von Akt 3 stehen die Charaktere dann kurz vor dem Abschluss ihrer Mission. Und wieder heben oder senken sich die Daumen der Mitspielenden, um festzustellen, ob die Mission gelungen oder gescheitert ist. Dann kommt die „Letzte Beichte“, in der die Charaktere das Ende der Mission interpretieren. Sollte ein Charakter gestorben sein, wiederbelebt die Bardin ihn zum letzten Interview.
Die anfangs beschriebene Gruppe scheitert: Hansamali lacht sich tot, der Barbar stirbt an Überanstrengung, der Mönch versinkt im Drogenrausch und die Heilerin fällt in ihre Knochensäge. So ein Pech. Und der mächtige, böse Lich-Overlord Buttercreme überrennt mit seinen Untorten-Horden das Schlaraffenland. Seltsam? Aber so steht es geschrieben.
BEHIND THE MAGIC richtet sich an Spielende, die Spaß am improvisierten Erzählen haben und sich für keinen Blödsinn zu schade sind. Schnell gelernt, da kaum Regeln, schnell erklärt und wenn man einmal im Flow ist, läuft das von ganz alleine. Im (deutschen) Regelbuch selber sind neben den hervorragenden Illus von Laura aus dem Siepen (Bekannt durch „Kleine Helden“) auch Beispiel-Szenarien und Szenen, aus denen man sich bedienen kann. Kaufempfehlung!