19. Mai 2019

Experimente Teil 1 – RuneQuest

Von Micha

Im Sommerhalbjahr 2019 des Rollenspielvereins „Die Traumjäger“  habe ich die Möglichkeit, im Rahmen einer „Experimente-Rollenspielrunde“ verschiedene Systeme anzutesten, probezuspielen, kennenzulernen. Hier sind meine Berichte. Es handelt sich hier jedoch ausdrücklich nicht um detaillierte Rezensionen oder Systemvorstellungen, sondern um rein subjektive Eindrücke und Empfindungen und persönliche Pros & Kontras.

Teil 1 – RuneQuest

RuneQuest ist schon ein recht altes System, es wurde bereits 1979 auf den US-Markt gebracht und kam 1991 nach Deutschland. RuneQuest ist schon durch viele (Verlags-)Hände gegangen und hat die verschiedensten Entwicklungen hinter sich. 2018 gab der Uhrwerk-Verlag bekannt, die aktuelle 2018er Version von Chaosium auf Deutsch herauszubringen. Mein Spielerlebnis mit RuneQuest basiert auf dem von Uhrwerk zum GRT 2019 herausgebrachten Schnellstartheft, das als PDF im Uhrwerkshop kostenlos erhältlich ist.

 

RuneQuest spielt in der Welt Glorantha und ich hatte das Glück,  einen versierten Spielleiter zu haben, der schon langjähriger RuneQuest-Fan ist und daher richtig viel Material zur Welt im Schrank hat, das er bei uns Spielern herumzeigen konnte. So konnten wir uns einen sehr guten Eindruck über die Spielwelt und ihre Besonderheiten verschaffen. Wir haben es bei RuneQuest nicht mit der typischen Rollenspiel-Fäntelalter-EDO-Fantasy zu tun, sondern mit einem Setting, das unser Spielleiter sehr treffend als „Sandalen-Fantasy“ bezeichnet hat (keine Ahnung, ob es diesen Begriff so gibt, ich hab ihn zum ersten Mal gehört und fand ihn ziemlich treffend). Das Setting ist in einer Welt angesiedelt, die ich mal als griechisch-römisch mit babylonisch-assyrischen-mesopotamischen Einflüssen beschreiben möchte. Die Götter sind real, Magie wird über Runen gewirkt (und jeder kann das ausüben [Hallo Splittermond!] ) und es gibt eine umfangreiche Geisterwelt, weil alles irgendwie besselt ist. Und die Erde ist eine Scheibe. Und es gibt zwar auch Elfen und Zwerge, aber die sind ziemlich vernachlässigbar und wohl auch nicht als SC vorgesehen. Man spielt Menschen, Menschen, Menschen, die in einer sozielen Gemeinschaft eine Rolle übernehmen, sei es ein Clan, ein Stamm, eine Armee oder oder. Die namensgebenden Runen sind mit bestimmten Göttern assoziziert und können verschiedene Fertigkeiten pushen.

 

A propos Fertigkeiten … ich werfe an dieser Stelle mal einen Blick auf das Regelsystem. So sehr mir die Welt Glorantha auch gefällt, umso weniger gefallen mir die Regeln. Im Grundsatz sind sie eigentlich ganz einfach und gerade mir als langjährigem Cthulhu-Spieler + -Spielleiter recht vertraut: es gibt sieben Eigenschaften (STÄrke, KONstitution, GRÖße, GESchicklichkeit, INTelligenz, MANa und CHArisma). Eine Probe auf eine Eigenschaft bedeutet einen W100-Wurf auf [Eigenschaft x 5], drunterbleiben = gut! (Eine blöde Rechnerei, die bei Cthulhu Ed. 7 zum Glück eliminiert wurde). Fertigkeiten haben einen Wert zwischen 0 und 100 und eine Probe wird ebenfalls mit einem W100 durchgeführt. Und nun mein Problem: so weit ist alles klar. Doch nun kommen noch Runen, Leidenschaften, Runenpunkte und Runenzauber sowie Geistermagie ins Spiel. Man kann den Charakter durch eine Rune oder eine Leidenschaft „inspirieren“, d.h. eine Fertigkeit pushen (ebenfalls eine W100 Probe). Bei einem Erfolg kann man den gepushten Fertigkeitswert um 20% raufsetzen und dann halt „verbessert proben“. Und wieder beginnt die Rechnerei (Wieviel sind noch mal 20% von 37?). Ach ja, die namensgebenden Runen komme ja auch noch. Runenpunkte = ausgebbare „Runenmagiepunkte“, dann kommt noch die Runenaffinität ist Spiel, die Runenpunktkosten und und und. Sorry, damit bin ich raus. Buchhalterische Fertigkeiten hab ich im Büro, die brauch ich nicht am Spieltisch. Das Regelgerüst ist mir erheblich zu komplex. (Hatte ich schon die Trefferzonentabelle erwähnt?). Das alles auch noch in den Schnellstarter zu packen .. nunja. Da wäre mir ein Charakterblatt, auf dem die Fertigkeiten wenigstens alphabetisch sortiert sind, besser gefallen.

 

Wir spielten das Abenteuer aus dem Schnellstarter und waren in gut zwei Abenden durch. Bitte nicht falsch verstehen: wir hatten Spaß und die Truppe war, obwohl wir zum ersten Mal zusammengespielt haben, echt gut. Der Spielleiter war super. Die Welt ist Top! Dennoch wird sich das System bei mir nicht durchsetzen, zu komplex (nicht kompliziert, das ist ein Unterschied!), zu viel Herumrechnerei. Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, die Welt Glorantha mal mit einem anderen Regelsystem zu bespielen. Wer Spaß an komplexen Systemen hat und und mal anderes als Klischee-EDO-Fantasy spielen möchte, sollte sich den kostenlosen Schnellstarter mal ansehen!